NBA Brawls – Sind Wir Wieder Zurück In Den Dunklen 70ern Und 80ern? 

 

Lasst uns für einen Moment ein paar Dekaden zurückreisen und uns in die Mitte der 70er-Jahre der NBA katapultieren. Die Zeit in der Larry O’Brien nicht einfach nur ein Name, eingraviert auf einer Trophäe gewesen ist, sondern die Dekade, in der der ehemalige Commissioner, das höchste Amt der NBA noch selbst bekleidet hatte.

Eine Ära, in der das, was spielerisch auf dem Platz passierte, eher nebensächlich war: Mehr oder weniger offener Drogen-Missbrauch, Rassismus auf und abseits des Spielfeldes und jede Menge Gewalt. Leere Zuschauerränge und buhende „Gäste“, denen die Liga „zu schwarz“ gewesen ist, sind dominierende Sequenzen, die man aus dem Publikum sieht, wenn man sich heute Footage aus den späten 70ern und den frühen 80ern anschaut. Dass das Ganze ein Riesenproblem für die Reputation der Liga und des noch nicht globalen Sports Basketball war, daran sollte heute niemand Zweifel hegen. Menschen ließen ihre Familien daheim und in die halbleeren Arenen wurde nur noch gegangen, wenn man seinen Frust ablassen wollte. 

Es gibt keine Ära in der NBA, in der so viele Kämpfe, wirklich brutale Schlägereien, auf dem Parkett stattgefunden haben, als während der Amtszeit von Larry O’Brien. 

Die älteren von uns werden sich wahrscheinlich sogar an die ein oder andere Schlacht auf dem Platz erinnern, die damals ausgetragen wurde. Nehmen wir beispielsweise eine der bekanntesten Auseinandersetzungen aus den 80er-Jahren. Wenn zwei der berühmtesten Spieler aller Zeiten, sich die Fäuste um die Ohren werfen, dann wird selbstverständlich auch noch Jahrzehnte später darüber gesprochen. Die Rede ist hier von den 1984er Sixers gegen die Boston Celtic. Oder besser gesagt Julius „Dr. J“ Erving gegen Larry „Legend“ Bird. Während die Celtics in den frühen 1980er-Jahren, die Eastern Conference dominierten, musste sich die Franchise aus Boston hierbei Jahr für Jahr gegen die Startruppe aus Philadelphia beweisen. Die beiden Teams haben zwischen 1980 und 1987 in jedem NBA-Finale gestanden, nachdem einer den anderen in den Conference Finals schlagen musste. Und „schlagen“ ist hier auch das richtige Stichwort. 

Einer der Hauptprotagonisten dieser weltbekannten Auseinandersetzung, Dr. J, hat den Vorfall 2018 bei ESPN selber aufgearbeitet.

Via FTW:

  

„Also der Kampf: Eigentlich gab es ein Offensivfoul gegen Larry. Er mochte den Call nicht, also war er wirklich sauer auf den Schiedsrichter. Er kam auf den Platz und hat irgendwie gestampft. Er war bei der eigenen Bank und es sah so aus, als würde er einen Schlag machen wollen. Das war sehr untypisch, weil wir beide Werbespots für Converse und Spalding gemacht haben, also waren wir irgendwie cool. Aber ich dachte irgendetwas würde passieren, denn er war definitiv sauer – aber er war sauer auf den Schiedsrichter, er war nicht sauer auf mich. Ich habe nur meinen Arm ausgestreckt, um ihn zurückzuhalten, und es endete damit, dass mein Arm an seinen Hals rutschte. Also war es wirklich unbeabsichtigt. Ich wollte ihn nicht wirklich am Hals packen. Dann ging es los. Ich habe ihn weggestoßen, die Hand glitt nach oben, kam an seinen Hals, er greift nach meinem Hals … Das Nächste, was ich weiß, ist, dass sich daraus ein Nahkampf entwickelte.“

 

Dieser „versehentlich Griff“, wie Dr. J die Szene reflektiert beschreibt, löste eine Massenschlägerei zwischen beiden Teams aus. Moses Malone schlug sich mit M.L. Carr. Beide Bänke der Franchises prügelten sich untereinander und irgendwann lag ein Haufen Spieler auf dem Boden. Referee Dick Bavetta, tat, was er konnte, um die Ordnung wiederherzustellen. Insgesamt 17 Spielern beider Teams und der damalige 76ers-Trainer Billy Cunningham wurden Geldstrafen auferlegt. Die beiden Superstars Julius Erving und Larry Bird erhielten mit 7.500 US-Dollar die zweithöchste Geldstrafe in der damaligen NBA-Geschichte. 

Sicher ziehen uns solche Bilder auch an die Bildschirme. Noch heute. Wir wollen Emotionen sehen. Doch das hat seine Grenzen. Und auch der Kampf zwischen Larry und Julius wäre nur eine Randnotiz gewesen, wenn nicht Jahre vorher schon der traurige Höhepunkt der „dirty NBA“ erreicht worden. Ein Höhepunkt in einer Ära voller Gewalt und Prügeleien, aus dem man eigentlich hätte lernen sollen. Nein, müssen! Dezember 1977, Los Angeles Lakers gegen die Houston Rocket. Ein „Punch“ der die Sportwelt hätte verändern müssen. 

Kermit Washington aus L.A. und Kevin Kunnert aus Houston drängten sich gegenseitig, während eines Fastbreaks der Rockets. Out of nowhere tauschten die beiden plötzlich Schläge aus und Washingtons LA-Teammate, kein geringerer als Kareem Abdul-Jabbar, griff ein und packte Kunnert. Rockets-Kapitän und All-Star Rudy Tomjanovich, sah die Situation und raste auf das Geschehen zu, um die Streitlustigen zu besänftigen. Kermit Washington bemerkte den hinter sich anstürmenden Rudy in seinem peripheren Sichtfeld, drehte sich um, und schlug dem nichts ahnenden Tomjanovic mitten ins Gesicht. BAM! Der Schlag war fast tödlich.

Tomjanovich wurde sofort in Notaufnahme gebracht, wo ihm gesagt wurde, dass er möglicherweise nicht überleben wird. Und das ist auch kein Wunder, wenn man sich anschaut, welche Verletzungen der All-Star der Houston Rockets davongetragen hat. Ein gebrochener Schädel, ein gebrochenen Kiefer, eine gebrochene Nase, diverse Gesichtsverletzungen und das Austreten von Rückenmarksflüssigkeit. Heute wissen wir, dass Rudy Tomjanovic den Vorfall überleben und nach einer komplett ausgesetzten Saison, seine Rückkehr 1978-1979, mit der fünften All-Star-Teilnahme feiern konnte. 

Kermit Washington hingegen, wurde für 60 Tage ohne Bezahlung suspendiert und mit einer Geldstrafe von 10.000 Dollar belegt. Doch damit nicht genug, er erhielt haufenweise rassistische Nachrichten, wurde von seiner Familie verstoßen und der Geburtshelfer seiner hochschwangeren Frau verweigerte die Behandlung der werdenden Mutter. Und all dieser Schwachsinn, wegen Emotionen, die erwachsene Männer eigentlich im Griff haben sollten. David Stern mahnte damals selbst, als er noch nicht im Amt war: „Dieser Vorfall prägt das Bewusstsein aller Athleten und Athletinnen, was alles passieren kann, wenn man auf dem Platz steht.”

Über 45 Jahre später, wissen wir, dass diese These ziemlich steil gewesen ist. Denn abseits der oben erwähnten Fights, gab es über die Jahre haufenweise weitere „NBA Brawls“. Celtics gegen die Rockets in den 86er Playoffs, Charles Barkley gegen Bill Laimbeer, Phoenix gegen die Knicks bzw. Doc Rivers vs. Kevin Johnson im Jahr 1993, der „Malice at the Palace“ in Detroit, die Warriors gegen die „Jailblazers“ aus Portland in 2002, Chris Childs vs Kobe Bryant oder der “Knicks Nuggets Brawl” aus 2006. Um nur ein paar den bekannten NBA-Fights zu nennen. Aber genug in der Vergangenheit rumgestochert. 

Die Historie ist eigentlich da, um daraus zu lernen. Allerdings scheint es grade in dieser NBA-Saison so, als wären all die Fights der vergangenen Jahrzehnte und die daraus resultierenden Strafen, komplett vergessen worden. Die 2022-2023 Saison beschert uns so viele „Rudelbildungen“, wie seit Jahren nicht mehr. Der blutende Russel Westbrook gegen Zach Collins, Jordan Clarkson, der immer „ready“ ist, Damion Lee, der schon in mehrere Vorfälle verwickelt gewesen ist, Joel Embiid und Jaylen Brown, die aneinandergeraten sind oder Klay Thompsons und Devin Bookers „Double Ejection“. Das sind natürlich alles Szenen, die wir lieben, denn wenn es hitzig wird, kochen aus unsere Gemüter höher. Leider bleibt es nicht immer bei den „schubsenden Trauben von NBA-Akteuren“. 

Die aktuelle Saison hatte noch nicht einmal begonnen, da hat Draymond Green schon Teamkollege Jordan Poole mit einem satten Treffer ins Gesicht ausgeknockt. Ein Einzelfall? Weit gefehlt. Im Spiel der Orlando Magic gegen die Detroit Pistons katapultierte Moritz Wagner mit einem dummen Bodycheck Killian Hayes auf die eigene Bank. Der Shooting-Star der Pistons, revanchierte sich wenige Sekunden später mit einem brutalen Schlag auf den Hinterkopf des deutschen Nationalspielers. Moritz Wagner ging sogar für ein paar Sekunden bewusstlos zu Boden, beziehungsweise in die Arme von Isaiah Stewart. 

Und schauen wir uns die vergangenen 14 Tage an, haben wir gleich drei Vorfälle aus der jüngsten Vergangenheit, bei denen zum Teil fast oder sogar ganz die Fäuste geflogen sind. Erst stand Shannon Sharpe gegen Dillon Brooks und die gesamte Mannschaft der Grizzlies auf dem Plan, bevor Dillon Brooks das ganze vor wenigen Nächten wiederholte, als er Superstar Donovan Mitchell dreckig dorthin geschlagen hat, wo es den meisten Männern besonders weh tut. Und wenn wir uns nur mal die heutige Nacht anschauen, dann sehen wir am Boden liegende Austin Rivers und Mo Bamba, die nicht nur ein paar nette Worte ausgetauscht haben. 

Woher kommt diese Aggression? Vielleicht haben wir Menschen nach den zwei Jahren Isolation einfach verlernt, wie man sich sozialisiert auf der Welt gegenüber anderen Mitmenschen verhalten sollte. Wir sind zwar noch weit davon entfernt so gewalttätigen Basketball zu sehen, wie in den 70ern und 80ern, allerdings häufen sich die Vorfälle. Gegen Rudelbildungen und Rumgeschubse dürften die meisten sicher nichts einzuwenden haben, aber brutale Schlägereien braucht es auf dem Parkett wirklich nicht. Die Spieler haben eine Vorbildsfunktion, sowohl innerhalb der Hallen als auch neben dem Hartholz. 

Wer sich allerdings über zu weichen Basketball in der heutigen Zeit beschwert, der kommt in der aktuellen Saison voll auf seine Kosten. Und wenn die Spielzeit weiterhin so emotional verläuft, können wir nur empfehlen: Lehnt euch zurück und genießt die 2022-23 NBA-Saison, aber bitte ohne brutale Schlägereien. 

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